Sie sind jung, haben vielleicht gerade den Partner bzw. die Partnerin für das Leben gefunden – und nun die Diagnose MS. Heißt das nun, dass man die gewünschte Familienplanung ganz über Bord werfen und auf Kinder verzichten muss? Nein, zum Glück ist das nicht so. Auch mit MS kann man eine eigene Familie gründen.
Damit Sie das Elternsein von Anfang an genießen können, sollten Sie sich vor der Schwangerschaft mit den Veränderungen, die das Leben mit einem Kind mit sich bringen wird, auseinandersetzten. Es ist wunderschön ein Kind aufwachsen zu sehen, manchmal erfordert es allerdings auch viel zusätzliche Kraft und Energie im Alltag. Knüpfen Sie frühzeitig ein enges Netzwerk aus Helfern, die Sie während der Schwangerschaft und danach begleiten und Sie bei dieser Aufgabe unterstützen, wenn es mal nötig wird. Dies können Familienangehörige, Freunde und Nachbarn, eine Hebamme oder eine Familienhelferin (z. B. von der Caritas oder Diakonie) sein. Auch von staatlicher Seite gibt es Möglichkeiten zur Unterstützung.
Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen und informieren Sie über wichtige Besonderheiten, die sich durch die MS ergeben.
Nein, direkt erblich ist die MS nicht. Allerdings kann die Veranlagung dazu, MS zu bekommen, vererbt werden. Das Risiko steigt an, wenn beide Partner MS haben. Dies heißt aber wiederum nicht, dass jeder, der die Veranlagung hat, auch wirklich MS bekommt. Dafür spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle. Die genauen Wechselbeziehungen zwischen ererbter Anlage und Umwelt sind noch nicht aufgeklärt. Die genauen Zahlen:
MS führt nicht zur Zeugungsunfähigkeit. Allerdings haben viele Männer zweitweise Erektionsstörungen, die einer gewünschten Familiengründung im Wege stehen können. Ursachen können u. a. Spastiken, Muskelschwächen oder Nebenwirkungen von Medikamenten sein. Erektionsstörungen lassen sich jedoch gut behandeln.
Männer und Frauen mit MS können genauso Eltern werden wie Gesunde. Es gibt keine speziellen Risiken, wegen der MS-kranke Männer keine Kinder zeugen oder MS-kranke Frauen nicht schwanger werden könnten.
Frauen mit MS bekommen genauso häufig ein gesundes Kind wie Frauen ohne MS (ca. 95 %). Die Schubhäufigkeit scheint während der Schwangerschaft eher abzunehmen. Die meisten Frauen fühlen sich in dieser Zeit sogar ausgesprochen wohl. Allgemeine Schwangerschaftsprobleme, wie z. B. Blasenbeschwerden, treten auch bei gesunden Frauen auf, wenn bei fortgeschrittener Schwangerschaft das Kind auf die Blase drückt. Dies kann allerdings bei Frauen, die schon vor der Schwangerschaft eine Blasenschwäche hatten, ausgeprägter sein.
Nicht jeder Zeitpunkt ist günstig für eine Schwangerschaft. Es ist ratsam, eine geplante Schwangerschaft mit Ihrem Frauenarzt und Ihrem Neurologen zu besprechen. Der letzte Schub sollte längere Zeit zurückliegen. Frauen mit einer sehr hohen Schubfrequenz sollten zunächst lieber abwarten, ob sich diese durch geeignete Medikamente verringern lässt, da sonst die Gefahr eines Schubes in der Schwangerschaft zu groß ist.
Da einige Substanzen, die in der MS-Behandlung eingesetzt werden, das Ungeborene schädigen können, wird eine Unterbrechung der Therapie meist schon vor Beginn einer Schwangerschaft, spätestens aber mit Schwangerschaftseintritt, empfohlen.
Die Medikamenteneinnahme vor und während der Schwangerschaft sollte mit dem behandelnden Arzt geplant werden, auch falls es während der Schwangerschaft zu einem Schub kommen sollte. Kommt es während der Medikamenteneinnahme zu einer ungeplanten Schwangerschaft, ist dies normalerweise kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch, eine intensivierte Ultraschallvorsorge (13. und 20. Schwangerschaftswoche) ist in solchen Fällen jedoch ratsam.
90 % der Frauen mit MS stillen ihr Baby. Die Daten zeigen, dass Stillen ein Schubschutz nach der Geburt sein kann. Auch in der Stillzeit empfehlen Ärzte, die verlaufsmodifizierende Therapie auszusetzen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt ca. 4–6 Monate voll zu stillen und nach dem Abstillen mit der MS-Therapie wieder zu beginnen.
Nach der Entbindung kann es vorübergehend zu einer Erhöhung der Schubrate kommen – etwa 30 % der Frauen erleiden in den ersten 3 Monaten nach einer Geburt einen Schub. Experten nehmen dafür die hormonelle Umstellung als Ursache an. Dies ist kein Grund zur Sorge, da gewöhnlich die Aktivität der MS dann wieder auf das Niveau von vor der Schwangerschaft zurückgeht. Eventuell auftretende Schübe können auch in der Stillzeit mit hochdosierten Kortikosteroiden (Kortison) behandelt werden. Danach wird allerdings eine Stillpause von 4 Stunden empfohlen.
Natürlich bedeutet das Stillen auch eine zusätzliche Belastung für den Körper. Es muss also jede Mutter für sich selbst entscheiden, ob die Ernährung mit der Flasche eventuell weniger anstrengend und kräftezehrend ist.
Sollte man nicht stillen, ist eine zügige Wiederaufnahme der MS-Therapie nach der Geburt empfehlenswert.